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Vätergeschichten aus dem Neckertal

BRUNNADERN: Im Seniorenheim Neckertal in Brunnadern fand am 8.6.2023 eine Lesung der speziellen Art statt.

Marcel Kräutli, Sozialarbeiter und Väterberater befragte in den Tagen vor der Lesung Bewohnerinnen und Bewohner des Heims zu ihren Geschichten und Erfahrungen mit dem eigenen Vater.

Vätergeschichten

Als begnadeter Geschichtenerzähler fesselte Marcel Kräutlier die über dreißig Zuhörerinnen und Zuhörer mit spannenden und emotionalen Geschichten.
Malcolm Green, passionierter und virtuoser Sänger und Musiker aus St. Gallen, sorgte zwischen den einzelnen Geschichten dafür, dass sich die Anwesenden auch musikalisch bezaubern und mitreißen lassen konnten. Hier einige Kostproben;

 

„Mein Leben hat erst mit 24 Jahren begonnen. Die Jahre davor lebte ich als eines von 12 Kindern eines alkoholkranken Vaters in verschiedenen Heimen und wurde hin -und hergeschoben. Trotz der unschönen Kindheitserinnerungen hatte ich anschließend und bis heute ein gutes Leben und ich verspüre keinen Zorn auf meinen Vater“. Die zwei bis drei nacheinander vorgelesenen Kurzgeschichten und Erzählungen dauerten jeweils eine bis zwei Minuten, bevor wieder die Musik zum Mitklatschen und – Singen animierte.

 

„Mein Vater ist mein Fundament, er hat mich immer gestärkt und unterstützt, ob als Kind oder später auch im Studium“ berichtete eine andere. „Mein Vater konnte krankheitsbedingt nicht immer und voll arbeiten. So verbrachte er sehr viel Zeit mit mir und meiner Schwester, was wir sehr genossen haben“. „Unsere Muttersau hat 11 von 12 Ferkeln totgebissen, das zwölfte durfte ich mit der Flasche aufpäppeln. Das hat mich in meinem Selbstvertrauen sehr gestärkt und mir gutgetan.“ „Zuerst wurde ich in der Schule vom Lehrer verprügelt und anschließend für die Prügel des Lehrers auch noch vom Vater.“ Da herrschte offensichtlich sehr viel Willkür im Umgang mit Kindern und deren Rechten. „Meine Mutter hat mir so quasi als Erbstück ein dreißigseitiges Dokument geschrieben mit all meinen Verfehlungen und Fehlern, die ich geleistet habe. Der Vater hat das Dokument geschreddert. Und ich habe nun ein Schreiben mit all meinen positiven Erfahrungen geschrieben, die ich meinen Kindern als „Erbstück“ weitergegeben habe. „Der verschollene Vater ist aus Sibirien zurück nach Österreich gelaufen, was haben wir uns gefreut“. „Mein Vater hat die Mutter v.a. am Wochenende entlastet und viel mit uns unternommen. Und bei unseren Ausflügen auf seiner Schulter zu sitzen und einen Nussgipfel zum Zvieri zu bekommen; was gab es schöneres…“

 

„Hausaufgaben für das Leben“, sagte mein Vater zu meiner Mutter als sie uns fragte, was er zusammen mit mir am Küchentisch schreibe. Dabei unterstützte er mich als sehr scheuen Jungen, einen Liebesbrief an eine Schulkameradin zu schreiben. Peter Bittkau, Bewohner im Seniorenheim zeigte sich begeistert von der Musik, welche für einige Bewohnerinnen und Bewohner des Heims doch eher ungewohnt ist. Gospel, Pop und Rock im Kontrast zu volkstümlicher Musik, auch so zeigt sich die Vielfalt und Fülle unserer Kultur und des Lebens. Und er meinte auch; „Ich habe mir im Vorfeld des Abends auch nochmals meine eigenen Erfahrungen mit meinem Vater durch den Kopf gehen lassen“. Vreni Betschart, ebenfalls Bewohnerin im Seniorenheim, schätzte ebenso die Präsenz und gute Beziehung zum Vater, wie sie bei vielen Geschichten zum Ausdruck gekommen ist.

 

Ob das damit zusammenhängt, dass viele Väter als Bauer präsenter auf dem Hof und so bei der Familie waren als vielleicht Väter, die in einer Fabrik oder der Stadt lebten bleibt offen. Offensichtlich ist, dass viele Erinnerungen aus den Vätergeschichten sehr positiv sind. Die Väter bleiben als präsente, verfügbare und verlässliche Menschen in Erinnerung. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass man sich am Ende des Lebens mit vielem versöhnt, was in jüngeren Jahren nicht immer gelingt. Mit „My way“, mein Weg, von Frank Sinatra brachte Malcolm Green noch einmal sein großartiges Musikertalent zum Ausdruck und leitete so einen sehr spannenden und berührenden Vätergeschichten Abend im Seniorenheim Neckertal zum anschließenden Apero.