Bericht: Julia-Maria Riedl, Bilder: Ralph Ribi
erschienen im Tagblatt vom 25. Februar 2025 >
Was macht eine langjährige Ehe aus? Gibt es ein Geheimrezept, das für alle funktioniert? Diese Frage kann allenfalls im Seniorenheim Liebenau im Neckertal, bei Brunnadern, beantwortet werden. Hier leben drei Paare, die über 60 Jahre verheiratet sind, ein Paar über 20 Jahre und ebenso zwei frischgebackene Liebespaare. Sie alle zeigen: Auch im hohen Alter liebt und verliebt man sich noch.
In einer gemütlichen Runde diskutieren die Bewohnerinnen und Bewohner mit dieser Zeitung, was es alles für eine erfüllte Partnerschaft braucht – und kommen dabei zu verschiedenen Antworten. Initiator dieses Austauschs ist Heimleiter Roman Strübi: «Es ist schön, zu sehen, wie viele Paare hier leben. Das sollte unbedingt gezeigt werden.»
Geheimzutat: Kinder
«Es gibt kein Geheimrezept», sagt eine der Bewohnerinnen. Und tatsächlich zeigt sich: So unterschiedlich wie die Menschen sind, so individuell gestaltet sich auch die Liebe. Doch es gibt einige Zutaten, auf die sich alle Bewohnenden einigen können: Zuhören, Reden, Nachfragen und manchmal auch einfach Stillsein.
Eine weitere Zutat, bei der sich alle einig sind: Kinder. «Kinder zu haben, ist anstrengend, und es macht einen auch verletzlicher», sagt ein Bewohner. Doch im Alter wird einem klar, dass diese Arbeit Früchte trägt: «Die Kinder verbinden uns, und so sind wir auch heute noch gut miteinander verbunden.» Denn je älter wir werden, desto mehr brauchen wir uns – ein Gedanke, der von allen geteilt wird. Kinder seien ein Vorteil, ganz klar, sagt ein Bewohner. Seine Frau nickt ihm bejahend zu.
Über 71 Jahre Liebe: Martha und Jakob Zogg
Martha und Jakob Zogg sind ein Paradebeispiel für eine langjährige Ehe. 1953 begegnen sich die beiden in Thun. Sie ist mit einer Freundin unterwegs, als zwei Soldaten an ihnen vorbeilaufen: Jakob Zogg verzaubert Martha Zogg mit seinem Blick. Die beiden verlieben sich, heiraten und ziehen gemeinsam neun Kinder gross – fünf Söhne und vier Töchter. Heute sind ihre Kinder bereits zwischen 60 und 70 Jahre alt.
In einer über 70 Jahre andauernden Ehe gebe es natürlich auch viele Herausforderungen. «Es gibt immer Höhen und Tiefen», sagt Martha Zogg, «aber das Wichtigste ist, dass man aufeinander hört und sich wahrnimmt.» Heute, im hohen Alter, sind die Konflikte weniger geworden, aber auch sie streiten hin und wieder noch. «Manchmal diskutieren wir, aber wir wissen, wie wir uns wieder versöhnen», erzählt sie lachend.
«Das Leben bringt Unvorhergesehenes und Dinge, die schwierig sind. Doch die schwierigen Zeiten haben unsere Beziehung nur noch stärker gemacht», sagt Martha Zogg. Die beiden sind sich einig: «Wir würden uns wieder das Jawort geben.»
Schmetterlinge im Bauch
Auch neue Liebesbeziehungen entstehen hier im Seniorenheim Liebenau – denn zu spät für die Liebe ist es nie. Rosmarie Weber und Hans Rudolf Müller sind ein solches Beispiel. «Ich bin sozusagen seine dritte Frau», sagt Rosmarie Weber schmunzelnd. «Und wie man so schön sagt: Aller guten Dinge sind drei. Und das bin jetzt wohl ich.»
Rosmarie Weber hätte nicht gedacht, dass sie sich im Alter noch einmal verlieben würde. Sie war bereits einmal verheiratet, doch ihr Mann verstarb. Jahre später trifft sie im Heim Liebenau Hans Rudolf Müller. «Es war einfach so, dass ich ihn gesehen habe und sofort wusste, dass er es ist», erzählt sie. Sie hatte keine Zweifel – und sagt: «Ich habe viele Schmetterlinge im Bauch.»
Kommunikation als A und O
Über die vielen Jahre, welche die Paare gemeinsam erlebt haben, bleibt eines immer wichtig: «Man muss sich gut zuhören und auch den anderen verstehen, selbst wenn man nicht immer gleicher Meinung ist», sagt ein Bewohner. «Man muss aufeinander zugehen, auch wenn es mal schwierig wird.»
Und genau das, so erklären es die Paare, sei der Schlüssel für eine glückliche, langjährige Partnerschaft. Manchmal müssen auch schwierige Themen angesprochen werden. Es muss immer der Wille da sein, miteinander zu reden und Lösungen zu finden. Die Paare haben das im Laufe der Jahre gelernt – und am gemeinsamen Gespräch immer wieder betont: «Kommunikation ist das A und O.»
Heute werde schneller aufgegeben
In den Gesprächen mit den Paaren schwingt auch eine gewisse Melancholie mit. Viele von ihnen bedauern, dass heutzutage «schneller das Beil weggeworfen wird», wie ein Bewohner es ausdrückt. «Die Menschen sind oft nicht mehr bereit, an einer Beziehung zu arbeiten.» Früher habe man sich wirklich bemüht. Man musste sich auch mal durch schwierige Zeiten hindurchkämpfen. «Heute scheint es, als ob viele Menschen einfach aufgeben, wenn es nicht sofort funktioniert», sagt ein Bewohner.
Die Menschen im Seniorenheim Liebenau zeigen mit ihrer Erfahrung, dass es keine festen Regeln für eine erfolgreiche Beziehung gibt. Aber es gibt Prinzipien, die immer wieder den Weg zum gemeinsamen Glück ebnen. Eine weitere Zutat scheint auch zu sein: Die Liebe ist viel mehr als nur ein Gefühl – sie ist eine Entscheidung, die man immer wieder aufs Neue trifft.